Pflege-Notstand nicht mit einem Schnips zu lösen
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sprach in der Mutterhauskirche von diakonis
Detmold. Der Pflegebereich ist nicht erst seit der Corona-Krise stark belastet. Fehlende Pflegekräfte auf dem leergefegten Markt bereiten die allergrößte Sorge. Wie geht es in unserem Land zum Thema Pflege weiter? Diese Frage stellte Axel Schulz, Kaufmännischer Vorstand von diakonis, zu Beginn des Besuchs von Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, in der Mutterhauskirche am vergangenen Mittwoch.
Der CDU-Politiker nahm sich über die Mittagszeit rund anderthalb Stunden Zeit, um seine Sicht darzustellen und anschließend auf Fragen der Zuhörer - darunter Mitarbeitende, Bewohner und Vorstand - zu antworten. Auch Heinrich Zertik, CDU-Kandidat für die Landtagswahl aus Schieder-Schwalenberg, stellte sich vor und moderierte die Fragen.
Der Gesundheitsminister wirkte abgeklärt, als könne man ihn nicht aus der Ruhe bringen. Sätze wie „Corona war nicht geplant, darauf waren wir nicht vorbereitet“ oder „Die Frage, wo bekomme ich Pflegekräfte her, ist in Nordrhein-Westfalen nicht zu beantworten und nicht mit einem Schnips zu lösen“ sorgten nicht gerade für hoffnungsfrohe Stimmung.
In der Vergangenheit sei viel Geld in die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geflossen, betonte Laumann. Nun sei tagsüber keiner mehr Zuhause, um ältere Angehörige zu pflegen. Es würden mehr Einrichtungen gebaut und die benötigen wieder mehr Personal. „Die Leute kann nur niemand besorgen“, so der Minister. In seinem Wahlprogramm sei deshalb aufgenommen worden, ähnlich wie beim Erziehungsgeld, auch Gelder an Menschen zu zahlen, die zuhause ihre Angehörigen selbst pflegen. Auch plädiert er für ein Gesellschaftsjahr, das junge Menschen nach der Schule absolvieren sollen, um Kontakt zu solchen Einrichtungen zu bekommen.
Dass in zehn bis 15 Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in die Pflege rücken, sehe er als großes Problem. „Dafür gibt es keine Lösung, nur einen Prozess, der uns sehr schwerfallen wird“, so Laumann. Die Möglichkeit, Kräfte aus Osteuropa zu gewinnen, sieht er durchaus – trotz der Sprachschwierigkeiten und der befristeten Arbeitszeiten, denn in Privathaushalten arbeiten diese Menschen häufig nur etwa drei Monate.
Laumann gab aber auch kritische Töne: „Die Stimmung unter den Pflegekräften ist nicht gut. Nicht die Bezahlung steht dabei im Vordergrund, sondern die Wertschätzung aus den eigenen Unternehmen.“ Auch das Abwandern in andere Berufe könne er anhand der zahlreichen Pflegekräfte, die in den Ruhestand gehen, so nicht bestätigen.
Eine Mitarbeiterin appellierte an den Politiker, die festen Besuchszeiten und die strenge Regelung der Testung für die Angehörigen zugunsten der Bewohner wieder zu lockern. Die Besuche hätten seitdem stark nachgelassen, worunter die Bewohner sehr leiden. Trotz Verständnis, dass man so leider nicht „mal eben“ seine Angehörigen besuchen kann, blieb Laumann in dem Punkt unerbittlich. Es sei bei der hochansteckenden Corona-Variante wichtig, die älteren Menschen zu schützen. Auf die Aussage der Mitarbeiterin, dass trotz teilweiser Vierfach-Impfung weiterhin Bewohner und Mitarbeitende erkranken, der Verlauf aber milde sei, ging er nicht ein. Die Testungen blieben, würden ja aber vom Staat bezahlt. Bei diakonis wurden im vergangenen Jahr Testungen für rund eine Million Euro durchgeführt, wie Vorstand Axel Schulz einwarf.